Mein Plan war es nicht, 400 km an einem Tag zu fahren. Mein Plan war, so viele Kilometer zu fahren, wie möglich. Ich wollte herausfinden, was ich kann. Ich wollte wissen, wo meine Grenzen sind.
Ich dachte mir, von Hamburg Richtung Timmendorfer Strand, sei ein guter Anfang.
Ich wählte einen Sommertag, mit über 30 grad, an dem kein bisschen Regen angesagt war.
Mir war es wurscht, wo die Reise letztlich hingehen würde. Natürlich habe ich mir mögliche Routen angesehen und die Route, die ich dann gefahren bin, war eine der angedachten Routen. Ich wusste aber nicht, wie viele Kilometer dabei herauskommen würden.
Wichtig war nur, dass ich Spaß dabei habe und dass es ein Rekord wird. Und ein Rekord konnte es nur werden, wenn ich mehr als 340 km an einem Tag schaffen würde. Denn meine Touren von Kassel über die B 3 nach Hamburg waren zwischen 300 - 340 km lang gewesen und diese Strecken hatte ich an einem Tag geschafft.
Um sechs Uhr klingelte mein Wecker. Da ich aber keine Lust hatte, morgens mit dem Rad durch die Stadt zu fahren, stieg ich mit dem Rad in die S-Bahn und fuhr bis Ahrensburg. Dort schaltete ich meinen Radcomputer ein und los gings.
Schöner Radweg
Von Ahrensburg gehts über Großhansdorf nach Lütjensee. Dahinter beginnt ein Radweg, (den muss man allerdings erst mal finden), der sich zwischen den Feldern entlang, durch ein Stückchen Wald, an einem Bächlein entlang, Hügel rauf, Hügel runter, durch ein Dörfchen, beinahe bis zum Ratzeburgersee schlängelt - wunderschön - ganz ohne Autos! Es ist eine herrlich wunderschöne Gegend.
Diesen Weg bin ich schon öfters gefahren. In fast jedem Frühling. Einmal Ostsee und wieder zurück. Einfach nur, um zu testen, wie fit ich bin, nach einem Winter, in dem ich wenig Sport gemacht hatte.
Früh am Morgen, wenn die Vögel noch so richtig schön aktiv sind und das ein oder andere Liedchen trällern, fährt es sich auf dieser Strecke am besten. Auch der Radverkehr hält sich zu dieser Zeit in Grenzen.
Am Ratzeburgersee geht es über einen Radweg direkt an der Straße und am See entlang, Richtung Lübeck. Leider muss man mitten durch Lübeck durchfahren, weil man sonst über die Trave nicht rüberkommt. Jedenfalls war es 1997 so.
Hinter Lübeck geht es durch Bad Schwartau (Marmelade) rasant weiter Richtung Travemünde. Und von Travemünde über einen Waldweg weiter zum Timmendorfer Strand.
Timmendorfer Strand
Über mir hatte ich die knallige Nachmittagssonne und wolkenlosen blauen Himmel. Am Strand konnte ich mich nicht entspannt in den Sand legen. Ich hatte gerade mal ein Viertel meiner angedachten Strecke hinter mir. Deshalb habe ich nicht meine Füße ins Meer gestellt, sondern nur ein Foto gemacht, etwas getrunken und mein Rad wieder zurück zur Straße geschoben.
Ich bin auch nicht über die Straße direkt am Meer entlang gefahren, weil es da viel zu voll war. Viel zu viele Fußgänger, um die ich hätte herum kurven müssen.
Ich bin auf einer größeren Straße parallel zum Strand weiter gefahren, bis nach Scharbeutz. Hinter Scharbeutz bin ich auf der B 76 weitergefahren, Richtung Plön. Teilweise gab es einen Radweg neben der Straße, teilweise leider nicht.
Über Plön nach Kiel
Auch in Plön und dahinter bin ich weiter auf der B 76 geblieben. Auf der Bundesstraße konnte ich am schnellsten vorankommen. Ich wollte mich nicht damit aufhalten über die Dörfer zu fahren, auch weil diese Strecken zumindest damals nicht gut ausgeschildert waren. Heute ist das hoffentlich anders.
Mein Spaß bestand eindeutig darin, »Kilometer zu fressen«. Und nicht, die Gegend zu erkunden, oder die schöne Aussicht zu genießen.
Hinter Plön wurde es hügeliger und ich hatte einen gut ausgebauten Radweg, auf dem ich ordentlich »Gas geben« konnte. Auf dieser Strecke bin ich richtig gut vorangekommen.
Aber so langsam musste ich mir Gedanken darüber machen, wie ich mit »der Nacht« umgehen wollte.
Mich irgendwo hinlegen und warten, bis die Sonne wieder aufgeht und dann weiterfahren, oder einfach ohne Pause durch die Dunkelheit weiterfahren.
Nachts am Nord-Ostsee-Kanal
In Kiel war die Sonne noch da und so hatte ich keine Schwierigkeiten, durch die Stadt bis zur Hochbrücke zu kommen, hinter der ich den Radweg finden konnte, der direkt am Nord-Ostsee-Kanal von der Ostsee bis zur Nordsee führt. Genauso wie es auf meiner Radlerkarte verzeichnet war.
Allerdings war der Weg teilweise eine ziemliche Schotterpiste, auf der das Fahren nicht so viel Spaß gemacht hat.
Trotzdem war auch dieser Tour-Abschnitt sehr schön. Es gab einige große Pötte zu bewundern und ein paar Tiere zu sehen. Ich bin auch einigen anderen Radlern begegnet.
Bei Rendsburg wurde es unübersichtlich. Da musste ich mich durchfragen. Die Einheimischen schickten mich auf einen interessanten Weg, teilweise um Rendsburg herum und auf einem sehr schmalen Deich, zwischen Eider und dem NOK, weiter gern Westen.
Hinter Rendsburg in Richtung Heide ging so allmählich die Sonne unter. Da ich aber gut drauf war, bin ich einfach weiter in die Dämmerung hinein gefahren.
Ebbe an der Nordsee
So richtig viel schief gehen konnte dabei nicht. Teilweise verlief der Radweg nicht mehr direkt am Kanal, sondern zwischen den Feldern. Da konnte ich im Dunkeln nicht aus Versehen ins Wasser fahren.
Bei Burg bin ich dann absichtlich weggefahren vom Kanal, Richtung Marne, weil ich unbedingt die Nordsee sehen wollte.
Als ich mitten in der Nacht den »Kaiser-Wilhelm-Koog« erreicht habe und auf den Deich hochgeklettert bin, sah ich - nichts.
Da war kein Wasser.
Kein Meer mehr.
Totale Ebbe.
In Brunsbüttel habe ich mit der Kanalfähre noch einmal den Nord-Ostsee-Kanal überquert, um an der Elbe wieder Richtung Glückstadt fahren zu können und weiter Richtung Wedel.
An der Elbe zurück
An einer Tankstelle habe ich mir eine Cola gekauft. Beim Fahren durch den Früh-Nebel, waren mir einige Male die Augen zugefallen und ich wurde wachgerüttelt, weil ich mit dem Rad ins Gras fuhr.
Das schien mir nicht so vorteilhaft. Dann doch lieber eine Portion Koffein trinken. Der Zuckerschock hat mich auch wieder flotter gemacht. Und der Gedanke, mich schon bald in mein Bett legen zu können, um nur noch zu schlafen, schlafen, schlafen, hat mich ebenfalls sehr motiviert, nicht auf den letzten Metern schlapp zu machen.
An der Elbe angekommen, schien schon wieder die Sonne und es war wieder ein richtig schöner Sommertag. Den ich dann komplett verschlafen habe.
Die Daten auf meinem Radcomputer:
Strecke: 398,5 km.
Reine Fahrtzeit: 19,37 Stunden.
Durchschnittsgeschwindigkeit: 20,57 km/h.
Höchste Geschwindigkeit: 43,7 km/h.